1857 ging der Schlossergeselle, Ernst Bernhard Claes (1839 – 1909) auf Wanderschaft, mit dem ehrgeizigen Ziel, die neuesten Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlernen, um sich später als Schlosser
und Mechaniker in seiner Heimatstadt Mühlhausen, mit dem Bau von neuzeitlichen Maschinen und Geräten, selbständig zu machen. Sein Weg führte ihn über Berlin, Fürstenwalde und Lüttich bis nach
Paris und wieder zurück in den Raum Hannover, um dann zuletzt in Mühlhausen seinen Traum von der eigenen Werkstatt zu verwirklichen. Auf seinen einzelnen Stationen fand er Arbeit in diversen
kleinen und größeren Unternehmen, wie z.B. bei Siemens & Halske in Berlin oder in der amerikanischen Nähmaschinenfabrik von Charles Goodwin in Paris. Er erkannte zeitig, dass der
Nähmaschinenbau eine große Zukunft hat. Er knüpfte viele Kontakte, bekam Einsicht in die Grundlagen der neuen Technik und Arbeitsprozesse und arbeitete darauf hin, sich mit seinem Freund Heinrich
Dahmen mit einer Schlosserei und mechanischen Werkstatt in Mühlhausen selbständig zu machen. Es kam aber nicht dazu, weil Heinrich Dahmen seine eigene Chance nutzte und sich in Paris mit einer
Werkstatt selbständig machte.
E. B. Claes' Planungen wurde dadurch zwar unterbrochen und verzögert, aber an seinem Ziel hielt er weiterhin fest. Er fand in Franz Theodor Flentje (1841-1890) einen neuen Mitstreiter und gründete mit ihm zwei Jahre später, 1869, die Nähmaschinenfabrik Claes & Flentje OHG in Mühlhausen.
Ihr Anliegen war es, Spezialmaschinen zum Nähen von derben Materialien und Leder zu bauen. Der Bau von Haushaltsnähmaschinen nahm dabei einen geringen Platz ein.
Ab 1889 bis 1928 produzierte das Unternehmen auch Fahrräder der Marke „Pfeil“. Claes & Flentje bauten in ihrer Ära ein großes, erfolgreiches und weltweit anerkanntes Unternehmen auf.
Ihre Maschinen zeichneten sich durch eine hohe Qualität aus und Patente, wie z.B. das von der Elastic Cylinder Nähmaschine, bildeten eine stabile Grundlage. Das Unternehmen stellte seine Produkte auf den wichtigsten Messen aus und erhielte zahlreiche Auszeichnungen für ihre bahnbrechenden Spezialnähmaschinen, wie z.B. in Berlin 1877 die Goldene Medaille, in Erfurt 1878 ein Ehrendiplom, in Linz a/D 1879 die große silberne Medaille, in Riga 1880 Höchste Preise für Näh- und Strickmaschinen.
Am 18. August 1894 beging die Firma feierlich mit 700 Arbeitern ihr 25-jähriges Firmenjubiläum.
Die Zeiten während und nach dem 1. Weltkrieg schwächten das Unternehmen so, dass die nachgerückten Erben 1932 den Konkurs einreichen mussten. Der Betrieb kam in neuen Besitz und wurde ab 1933 in die Claes & Co. GmbH umgewandelt, ab 1937 Kommanditgesellschaft.
Es wurden weiterhin Spezialnähmaschinen und Strickmaschinen gebaut. Während des 2. Weltkrieges musste sich dieses Unternehmen auch an der Produktion kriegswichtiger Güter beteiligen. Mit Kriegsende, unter sowjetischer Besatzung, erfolgte die Einordnung in ein neues wirtschaftliches System. Unter eingeschränkten Bedingungen, die nach dem Krieg geblieben waren, nahm das Unternehmen mit 45 Mitarbeitern die Produktion von Spezialnähmaschinen und Strickmaschinen wieder auf.
Entsprechend den volkswirtschaftlichen Aufgaben produzierte die Claes & Co. KG auch landwirtschaftliche Geräte. Das Unternehmen stabilisierte sich in den Folgejahren ökonomisch und gesellschaftlich und nahm einen unentbehrlichen und wichtigen Platz in der sozialistischen Volkswirtschaft der DDR ein. Die Produkte aus Mühlhausen trugen dazu bei, die Textilindustrie sowie das Gewerbe mit Spezialmaschinen zu beliefern, außerdem wurden die Maschinen ins sozialistische und nichtsozialistische Ausland exportiert. Im Rahmen der Schaffung von sozialistischen Produktionsverhältnissen in der gesamten DDR erfolgte 1972 die Verstaatlichung auch dieses Unternehmens. Die Claes & Co. KG wurde in das Volkseigene Kombinat Textima, Sitz in Karl-Mark-Stadt (Chemnitz), unter dem Namen VEB Spezialnähmaschinenwerk Mühlhausen, integriert. Es war das Kombinat der Produktgruppe für Textilmaschinen, dem 30 Betriebe angehörten, in denen ca. 30 000 Menschen beschäftigt waren, wie z.B. das Nähmaschinenwerk Wittenberge, das Spezialnähmaschinenwerk Limbach, Limbach–Oberfrohna, das Nähmaschinenwerk Dresden, der Schuh- und Sattlermaschinenbau Leipzig, das Nähmaschinenwerk Altenburg, das Nähmaschinenwerk Saalfeld und noch weitere Werke, angehörten. Das Kombinat war eine weitere Form der Vergesellschaftung der Produktion. Es erfolgte eine zentrale Leitung von Produktion und Planung, der Forschung und Entwicklung, der Einführung neuer Produkte sowie der Absatz und die Kundenpflege. Die Leitung des Kombinates kümmerte sich auch um das gesellschaftliche Leben seiner Mitarbeiter in und außerhalb des Betriebes. Es unterstützte und finanzierte soziale Projekte ihrer Werktätigen in Beruf und Freizeit. Zu DDR-Spitzenzeiten gab es im VEB Spezialnähmaschinenwerk Mühlhausen ca. 200 werktätige Mitarbeiter.
Die qualitativ hochwertigen Spezialmaschinen aus Mühlhausen waren sehr gefragt. Eine umfangreiche Auswahl an Spezialmaschinen, wie z.B. die legendäre Schuhmacher-Reparaturmaschine Original – Elastik Klasse 200, später Klasse 8345, den Hochleistungs-Barrelschiff-Arm- oder Flachbettnähmaschinen Klasse 213/214/215 später Klasse 221/ 223, die Zentralspulen-Schnell-Nähmaschine Klasse 8350, die Hochleistungs-Barrelschiff-Arm- oder Flachbettnähmaschine Klasse 230 mit 3-fach Transport oder die Spezial-Kettelmaschinen für die industrielle Herstellung von Strickwaren in der Textil/Bekleidungsindustrie, wie z.B. die Rundkettelmaschine Klasse 8466, stand der Volkswirtschaft und den ausländischen Kunden bis 1990 zur Verfügung. Bis zur Wende war der VEB Spezialnähmaschinenwerk Mühlhausen ein führendes, sozialistisches Unternehmen, seine Produkte waren begehrt, konnten sich neben den starken kapitalistischen Anbietern behaupten und fanden zahlreiches Interesse im sozialistischen und kapitalistischen Ausland.
Mit der Wende und der eingeleiteten Privatisierung kamen für das Unternehmen die wirtschaftlichen Probleme. Der neu gegründeten Claes GmbH, mit 100 Mitarbeitern, war es nicht möglich, sich in der Marktwirtschaft durchzusetzen. 1994 ging die Firma in den Konkurs. Aus der Konkursmasse erwarben ehemalige Mitarbeiter der Firma die Konzession, die Lizenzen, die Schutzrechte, den Markennamen und Teile der vorhandenen Produktionsanlagen des Unternehmens. Sie gründeten 1994 die CL Maschinenbau GmbH und begannen 1995 mit 15 Mitarbeitern die Produktion von Spezialnähmaschinen zur Schuhreparatur, Kettelmaschinen zur Herstellung von Strickwaren und diverse Spezialanfertigungen. Heute (2015) beschäftigt die Firma 35 Mitarbeiter und Auszubildende. Der Schwerpunkt liegt dabei im allgemeinen Maschinenbau, der auf einer modernen Fertigung basiert. Traditionsgemäß werden weiterhin die hochwertigen und begehrten Schuhreparatur Nähmaschinen, wie z.B. die weiterentwickelte 8345, die Klasse 8346 hergestellt. Es ist eine Maschine in der bewährten Claes Qualität, die dem neuesten technischen Standard entspricht und allen Anforderungen der Kunden gerecht wird. Die Maschine ist in unserem Verzeichnis mit all ihren technischen Daten als neues Produkt der CL Maschinenbau GmbH abgebildet.
Hier an dieser Stelle möchte ich dem Betriebsleiter, der CL Maschinenbau GmbH, Herrn Ulrich Krumbein, für seine freundliche Hilfe und Unterstützung bei der Aufarbeitung der Claes Geschichte und Bereitstellung von Fotos zum Werdegang der Nähmaschinenfabrik Mühlhausen, recht herzlich danken.
Wir, die Freunde der Nähmaschinentechnik, wünschen dem Unternehmen eine stabile und sichere Zukunft, damit der Nähmaschinenbau in Deutschland weiterhin Tradition hat.
Zu diesem Thema gibt es weiterführende Webseiten und Veröffentlichungen im Internet.
Quellen zu diesem Text sind:
1. Das Buch "Alte Nähmaschinen – Namen – Daten - Fakten" von Peter Wilhelm,
2. https://de.wikipedia.org/wiki/Claes_%26_Flentje
3. http://g-nter.blogspot.de/2011/12/3-claes-flentje-muhlhausen-endgultig.html
4. http://www.cl-maschinenbau.com/unternehmen/history.php
5. http://www.cl-maschinenbau.com/leistungen/claes_kl_8346.php