Winselmann
Gustav Winselmann gehörte wie Hermann Köhler und Leopold Oscar Dietrich zu den Pionieren im deutschen Nähmaschinenbau, die 1871 gemeinsam in Altenburg die erste Nähmaschinenfabrik gründeten. Der wirtschaftliche Aufschwung ließ es zu, dass 1873 L. O. Dietrich und 1892 Gustav Winselmann in Altenburg eigene Nähmaschinenfabriken gründeten. 1902 wurde die Gustav-Winselmann-Nähmaschinenfabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Gustav Winselmann starb 1907 und seine Söhne führten die Fabrik bis zur entschädigungslosen Enteignung 1945 weiter.
Die hier gezeigte „Titan – Winselmann“ Schwingschiffchen-Nähmaschine kann in den Herstellungszeitraum Ende der 20er Jahre eingeordnet werden. Es ist eine Nähmaschine in ¾ Version, die der Singer Bauweise Klasse 28 / 128 entspricht. Im Vergleich mit der Singer Kl. 128 stellt man fest, dass es bei der Titan die Funktion zum Rückwärtsnähen gibt. Sie wird per Fuß angetrieben, man könnte sie auch elektrifizieren, dazu muss aber gesagt werden, dass sie dafür nicht die normale Vorrichtung (nach Singer) besitzt (siehe Foto Nr. 16). Es gibt weitere Abweichungen, es ist nicht gleich möglich, eine Titan auf ein Singer-Gestell zu setzen, andere Halterungen und spitzere Ecken am Flachbett verhindern dies, es ist auch ein anderer Aufspuler angebaut. Die Schiebebleche sind austauschbar, die Größe ist identisch, sie sind aber, damit sie in ihren Führungen gut passen, anders als bei Singer angeschliffen. Bei der runden Stichplatte gibt es Abweichungen im Bereich der Transporteur-Öffnung. Die Transporteure der Maschinen sind nicht gleich, dementsprechend weichen die Ausschnitte an der Stichplatte ab. Die Titan-Nähmaschine ist leichter als die Singer, ihr Eisenguss ist dünner und sie wiegt somit nur 8 kg. Ihre Mechanik funktioniert genauso leichtgängig und leise wie die der Singer-Nähmaschine. Die bei Singer getroffenen Aussagen zum Nähverhalten können zu 100% für die Titan übernommen werden. Auch die Titan ist ein optisches Schmuckstück, die am richtigen Platz dekorativ zu Geltung kommen kann. Sie muss aber nicht nur der Dekoration dienen. Ist ihre Mechanik gut gepflegt, dann bereitet sie auch den Hobbyschneidern von heute viel Freude. Bei mir gehört sie in die 1. Liga und bekommt entsprechend ihrer langlebigen Bauweise auf meiner Skala von 1 bis 10, 10 Punkte.
Vorteile
robuste Bauweise, leichtgängige Mechanik aus Metall, eignet sich auch gut für grobe Materialien, auch Rückwärtsnaht möglich, Nadelsystem 705-H/130, hoher Dekorationswert
Nachteile
nicht die normale Vorrichtung für einen Anbaumotor, Zubehör für Nähmaschine, wie Schiffchen oder Spulen sind nur noch als Gebrauchtware erhältlich, kein versenkbarer Transporteur
Hinweis: bei guter Pflege gehört sie zu den langlebigen/unkaputtbaren Maschinen.
Text: I. Naumann